Internet-Bewertung kann trügerisch sein
Den Wert einer Immobilie mal eben schnell im Netz schätzen lassen? Als erster Schritt ist das durchaus in Ordnung.
Immer mehr Menschen verlassen sich auf Online-Tools, die blitzschnell den Wert von Häusern und Wohnungen schätzen. Doch diese schnelle Lösung kann teure Folgen haben. Eine falsche Bewertung kann Verkäufer und Käufer gleichermaßen schaden, sei es durch einen zu niedrigen Verkaufspreis oder durch finanzielle Überschätzungen, die im schlimmsten Fall zur Schuldenfalle werden.
„Online-Tools sind nur so gut wie die Daten, auf die sie Zugriff haben. Sie können den Zustand der Immobilie, die lokale Marktsituation oder zukünftige Entwicklungen nicht vollumfänglich erfassen“, erklärt André Heid, der selbst als qualifizierter Sachverständiger für Immobilien arbeitet. Hier verrät er, warum Immobilienbewertungen aus dem Internet Risiken bergen können:
Allgemeine Aspekte:
Um den Wert einer Immobilie zu ermitteln, stützen sich Online-Tools auf eine bestimmte Datenbasis. Diese ist jedoch bei vielen Anbietern nicht vollständig. Das verzerrt das Ergebnis der Einschätzung. Hinzu kommt, dass bei solchen Tools häufig nur Angebotspreise hinterlegt sind – nicht aber die Preise, zu denen es schließlich bei den realen Transaktionen gekommen ist. Da die Bewertung in der Regel durch standardisierte Algorithmen zustande kommt, werden manche Faktoren, beispielsweise die Region oder spezielle Immobilientypen, nicht von den Tools berücksichtigt. Auch die Marktentwicklung kann deshalb nur unzureichend abgebildet werden, wenn sie besonders schnelllebig ist.
Keine physischen Inspektionen:
Online-Tools arbeiten mit Fotos und den Angaben der Verkaufswilligen. Deshalb können sie eventuelle versteckte Mängel wie bauliche oder Feuchtigkeitsschäden nicht in ihrer Bewertung abbilden. Ebenso verhält es sich mit dem Zustand im Inneren des Hauses. Ob Bäder oder die Küche renovierungsbedürftig sind, kann ein Online-Tool nicht erfassen und demnach auch nicht berücksichtigen. Hinzu kommt, dass die Tools keine umfassenden Informationen über den Standort der Immobilie haben. Umgebungslärm, die Nähe zu Industriegebieten, der Zustand benachbarter Grundstücke – all das sind Aspekte, die den Immobilienwert in der Realität beeinflussen, bei einer Online-Bewertung allerdings außen vor bleiben. Das ist natürlich auch bei geplanten, aber noch nicht realisierten Veränderungen im Umfeld, wie zum Beispiel der Infrastruktur, der Fall.
Rechtliche Aspekte:
Baulasten sind Verpflichtungen des Eigentümers, bestimmte Dinge an seinem Grundstück durchzuführen oder zu unterlassen. Das kann beispielsweise eine Fläche sein, die grundsätzlich nicht bebaut werden darf, oder festgeschriebene Abstände, die beim Bauen eingehalten werden müssen. Solche Baulasten beeinflussen den Wert einer Immobilie, werden von Online-Tools allerdings nicht erfasst. Bei Eigentumswohnungen ist es der genaue Wortlaut der Teilungserklärung, der zum Wert beiträgt. Diese Erklärung beinhaltet die Rechte und Pflichten des Eigentümers, wird vom Online-Bewertungsdienst jedoch nicht erfasst. Ähnlich verhält es sich mit Dienstbarkeiten, die Dritten Rechte an der Immobilie oder dem Grundstück einräumen.
Fazit:
Die Bewertung einer Immobilie ist komplex und beruht auf vielen Aspekten. Deshalb kommt es schnell zu einer Über- oder Unterschätzung des Werts, wenn man auf den unpersönlichen Online-Ansatz vertraut. Deshalb sollte man eine Online-Bewertung stets nur als ersten Schritt für die Ermittlung eines groben Richtwerts sehen. Eine zusätzliche Expertise, zum Beispiel durch ein professionelles Immobilienbewertungsunternehmen, sollte unbedingt eingeplant werden, um eine realistische und aktuelle Beurteilung einer Immobilie zu erhalten. (ots)